von Hans Gappenach
In vielen Ortsgeschichten wird die Zeit des „tausendjährigen Reiches“ schamvoll übergangen, verdängt, totgeschwiegen! In Chroniken und Aufzeichnungen – wofern diese überhaupt noch vorhanden – findet man die betreffenden Seiten oft herausgerissen; zuweilen sind auch ganze Abschnitte geschwärzt, einzelne Passagen gelöscht oder auf andere Weise unleserlich gemacht. Meines Erachtens gibt es in Rübenach zu solchen Verhalten keinen Grund.
Ebenso wie man diese Jahre nicht aus großen Historie streichen kann, sollte dies hier nicht geschehen. Zwar war der Ort in der Hauptsache durch seine bäuerliche Bevölkerung in einer guten Lage; sie war kaum in Bedrängung oder seelische Konflikte zu bringen: Getreide und Kartoffeln werden auch unter Diktaturen gebraucht.
Der Machtkampf der Parteien in den zwanziger Jahren war auch in Rübenach unerquicklich wie überall; er hat sich wahrscheinlich nirgendwo anders dargeboten: Es gab auch hier marschierende SS-Kolonnen, dumpf trommelnde Hitlerjugend-Gruppen mit „Heute gehört Deutschland und morgen die ganze Welt!“, Schlägereien zwischen rivalisierenden Parteien, schreiende Plakate „Wer Hitler wählt, wählt Krieg!“ und skandierende Lautsprecherwarnungen: „Hitler – der Trommler – der allen alles verspricht – und daher nichts halten kann!“
Aber aus einem 30jährigen Abstand rückschauend, kann man heute feststellen, dass menschengefährdender Fanatismus nirgends sichtbar wird, die „Hohheitsträger“ der Partei und Verwaltungsämter alle maßvoll waren, vielfach wahrscheinlich sogar Unglück von Familien abwenden konnten: Pfarrer wurden keine verhaftet, niemand aus Rübenach kam ins KZ, Juden lebten keine hier.
Damit ist nicht gesagt, dass nicht einzelne Menschen, deren trotzige Haltung allgemein bekannt war, sehr zu leiden hatten und viele, ob ihres unbeirrbaren Standpunktes beruflich nicht weiterkamen. Die Ängste und seelischen Nöte, in die unter einer Diktatur – noch dazu unter einer so gnadenlosen – der einzelne Mensch kommt, können hier nicht beschrieben werden. So sehr man auch Ehrfurcht vor der Handlungsweise jener haben muss, die in dieser Zeit ihr Leben riskierten und oft genug verloren, musste es anderseits auch Menschen geben, die den Wunsch hatten, zu überleben sich „nach der Decke streckten“. Respekt allen, die diese Jahre einigermaßen ehrenvoll überstanden und sei es unter Selbstäußerungen und Selbsterniedrigungen! Heldentum ist nur etwas für einzelne wenige!
Glück all jenen, die in solchen Zeiten nicht vor eine schlimmere Gewissens-entscheidung gebracht wurden, von der Wohl und Leben – bei der damals gehandhabten „Sippenhaft“ oft genug auch Leben und Tod der Familie – abhingen.
Die Schlussrechnung hatten schließlich alle gemeinsam zu bezahlen: Von den Opfern, die der Krieg forderte, auf den dieses Regime von Grund auf angelegt war, blieb kaum eine Rübenacher Familie verschont.
.
Quelle Buch Rübenach eine Heimatgeschichte