Archäologische Reise durch drei Jahrtausende

Ausgrabung: Im Industriepark reichen Spuren der Besiedlung bis in die Jungsteinzeit zurück.

Von RZ Redakteur Reinhard Kallenbach

Koblenz/Region. Der Industriepark am Autobahnkreuz von A 48 und A 61 entwickelt sich nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht zu einer Erfolgsgeschichte. Die neuen Gewerbeansiedlungen machen nämlich auch große archäologische Untersuchungen möglich. Erste Ergebnisse werden nun auf der Festung Ehrenbreitstein präsentiert.

Seit 2008 erforschen Wissenschaftler der Koblenzer Außenstelle der Direktion Archäologie die Vor- und Frühgeschichte eines gewaltigen Areals, das eine stolze Größe von 70 Hektar besitzt. Angesichts der gewaltigen Dimensionen müssen die Archäologen zu ungewöhnlichen Mitteln greifen. Die Ausstellung „Der Aktuelle Fund“, die noch bis zum Ende des Jahres zu sehen ist, zeigt denn auch den Einsatz von Baggern, was in diesem Metier eher unüblich ist.

Für die Fachleute ist die ungewöhnliche Funddichte auf dem Gelände, das zu den Gemarkungen von Rübenach, Bassenheim und Kobern-Gondorf gehört, keine große Überraschung. „Das Areal liegt im sogenannten MaifeldPellenzer Hügelland, einem in vor- und frühgeschichtlicher Zeit besonders dicht besiedelten Landschaftsraum des Mittelrheinischen Beckens“, erklärt Dr. Cliff Jost, der für die Untersuchungen verantwortlich ist.

Grabungstechniker Manfred Neumann bei der zeichnerischen Dokumentation eines Brunnens aus der alten keltischen Siedlung, die vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. bestand. Foto: Direktion Archäologie

Außergewöhnlich sind dagegen die zahlreichen Hinweise auf eine lange Kontinuität des Siedlungsgeländes, auf dem bereits im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. Menschen lebten. „Wir haben zahlreiche Hinweise auf die Überreste von keltischen Großgrabhügeln, römischen Grabgärten, einen antiken Gutshof, einen eisenzeitlichen Siedlungsplatz sowie auf einen jungsteinzeitlichen und frühbronzezeitlichen Siedlungsplatz gefunden“, fasste Cliff Jost am Rande seiner Präsentation am Dienstagabend zusammen.

Frühbronzezeitliche Siedlung: Auch der Bau des neuen Druckzentrums unserer Zeitung ermöglichte es den Archäologen, gründlich zu forschen. Bei den baubegleitenden Grabungen wurde neben den Überresten einer jungsteinzeitlichen und frühbronzezeitlichen Siedlung der kreisförmige Umfassungsgraben eines bronzezeitlichen Grabhügels mit knapp 25 Meter Durchmesser freigelegt. „Erhalten waren die Reste von drei Bestattungen. Dabei
handelte es sich offenbar um Frauengräber der Hügelgräberbronzezeit. Beigaben waren Keramik und Bronzeschmuck. Dazu zählen eine Gewandnadel, Hals-, Arm- und Spiralringe sowie die Überbleibsel einer filigranen Kette aus Bronzespiralröllchen“, erläutert Jost, der die Funde in die Zeit von 1400 bis 1300 v. Chr. einordnet.

Großgrabhügel der Keltenzeit: Auch die Kelten schätzten die günstige Lage des gesamten Areals. Sie siedelten dort und bestatteten auch ihre Toten. Auch der Goloring war nicht weit entfernt. Diese Kultstätte war einst weiträumig von vielen Grabhügeln umgeben. Auch im Industriepark gab es solche Hügel. Davon zeugen drei erhaltene kreisförmige Umgrenzungsgräben. Allerdings ist von den Gräbern selbst nichts erhalten geblieben.
Dennoch lässt sich der Fund in das 7. bis 3. Jahrhundert v. Chr. einordnen, weil ähnliche Entdeckungen in der Nachbarschaft genau in diese Zeit datieren. Beim aktuellen Fall gehen die Archäologen davon aus, dass es sich um die Begräbnisstätten einer Führungsschicht handelt.

Auch die Überreste einer großflächigen keltischen Siedlung, die vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. bestand, wurden im Zuge der Grabungen entdeckt. Freigelegt wurden unter anderem Grundrisse von Pfostenbauten, Grubenhäusern, Gräben und Brunnen sowie Vorrats-, Lehmentnahme- und Abfallgruben. Der Erhaltungszustand ist zum Teil sehr gut.

Römer errichteten einen Gutshof: Einen Bruch brachten die Erfolge der Römer mit. Sie errichteten auf dem Areal der früheren keltischen Siedlung einen landwirtschaftlicher Gutshof, der vom 1. bis zum 3. Jahrhundert bestand. Die Koblenzer Archäologen gehen davon aus, dass diese „villa rustica“ nicht nur für die zivilen Siedlungen im Umland, sondern auch für das Militär eine wichtige Versorgungsfunktion hatte. Denn das Gebäude hatte neben Steinfundamenten auch verputzte und bemalte Wände. Und es wurde über einen mit großem Aufwand erbauten unterirdischen Aquädukt mit Wasser versorgt, der bis zu sieben Meter unter der heutigen Oberfläche liegt. Die einstigen Bewohner der Villa wurden übrigens in angrenzenden Grabgärten bestattet. Hierbei handelt es sich durchweg um Brandbestattungen in umfriedeten kleinen Grabgärten.

Rhein Zeitung – 11.10.2012