Aus
„Rübenach eine Heimatgeschichte“
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Die Zeit bis zum 1.
Weltkrieg
von Udo Liessen
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Weniger aufregend
waren in der Zwischenzeit andere Ereignisse verlaufen: Am 15. Februar
1865 hatte man in Rübenach eine Postanstalt im Range einer
Postexpedition 2. Klasse umgewandelt, das ab 1876 zu einer Postagentur
zurückgestuft wurde. Den Postkutschenverkehr Koblenz.Mayen, den zuletzt
der Mayener Posthalter Luxem wahrgenommen hatte, wurde 1904 bei
Eröffnung der Reichsbahn eingestellt. Hervorzuheben ist der 1. Juli
1878, da an diesem Tag die Postanstalt einen Telegraphen bekam und somit
war Rübenach an das bereits sehr bedeutende Telegraphennetz des
Deutschen Reiches angeschlossen.
Bald nach der
Reichsgründung hatte sich in Rübenach auch der sogenannte „ Kulturkampf“
vehement bemerkbar gemacht. Die Streitigkeiten mit der Regierung hatten
sich an der rechtlich nicht einwandfreien Einsetzung des Kaplans Josef
Reis in Rübenach entzündet und kulminierten in der zweifachen
Inhaftierung das Geistlichen (1873 und 1874). 1875 wurde Reis sogar des
Regierungssitzes verwiesen, 1876 der Staatsangehörigkeit für verlustig
erklärt und aus dem Reichsgebiet ausgewiesen! Erst 1884 wurde die
Strafvollstreckung eingestellt. Siehe auch:
Die Zeit des Kulturkampfes in Rübenach
Die Jahre 1900/01 dürfen besondere
Aufmerksamkeit, was das Dorfgeschehen betrifft, für sich beanspruchen,
da es Pastor Oden (1897-1905) gelungen war, eine Niederlassung der
Dernbacher Schwestern nach Rübenach zu bekommen. Das Kultusministerium
gab hierzu dem 6. März 1900 seine Erlaubnis. Am 28. Mai 1901 erfolgte
die Eröffnung des Klosters, das 1904 eine Hauskapelle (Hl. Anna) bekam.
Der Aufgabenbereich der Schwestern nach erstreckte sich auf Altenpflege,
Kindergarten, Nähschule u. v. a. 1921 musste das Haus erweitert werden.
Diese Arbeiten führte der Koblenzer Architekt Huch durch.
Huch hatte auch
zusammen mit Grefges, ebenfalls Koblenz, 1908/09 die Bubenheimer Kirche,
die ja Filiale von Rübenach ist, entworfen: Die Kirche ist ein sehr
gefälliger Jugendstilbau, bei dem auch barocke Elemente zur Verwendung
kamen. Bei Huch und Grefges handelt es sich um zwei sehr talentierte
Architekten, die zu unrecht vergessen sind, deshalb folgt auch eine
bescheidene Liste ihrer Bauten. |
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1905
1908/09
1912/13
1914/15
1921
1922
1933/34 |
Waisenhaus in
Koblenz / Huch und Grefges
Kirche in Bubenheim
/ Huch und Grefges
Erweiterung der
Kirche in Kehlberg/Eifel / Huch
Kirche in Metternich
/ Huch und Grefges
Erweiterung des
Klosters in Rübenach / Huch
Kirche in
Stromberg/Ww. / Huch
Kirche in Kesselheim
/ Huch und Grefges |
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Wie bereits gesagt,
waren die Vereine und Bruderschaften von höchster Wichtigkeit für die
Dorfgeschichte, ihr Schwerpunkt lag voe allem im sozialen Bereich. Die
Mauritiusbruderschaft und die des Allerheiligsten Sakramentes wurden
schon erwähnt; ebenso die Schützenbruderschaft. Der Geist von 1848 –
Rübenach war nicht besonders davon betroffen worden – lebte zunächst
noch weiter in den Schützengesellschaften, was sich etwa bei den großen
Schützenfesten manifestierte. Bei dem mittelrheinischen Schützen-fest von
1851 in Koblenz war auch die Rübenacher Bruderschaft vertreten; ebenso
1852 beim hundertjährigen Jubiläumsfest in Ehrenbreitstein. Patriotismus
bewies die Gesellschaft, als sie zum 90. Geburtstag Kaiser Wilhelms I.,
am 22. März 1887, zusammen mit dem Männergesangsverein die Kaiserlinde
pflanzte (neben dem späteren Kriegerdenkmal). Ein Ereignis, an dem das
ganze Dorf teilnahm und zu dem viele Brudervereine kamen, bildete die
Fünfzigjahrfeier im Jahre 1893. Die 1896 gegründete Sterbekasse zahlte
den Hinterbliebenen eines verstorbenen Mitglieds 50 Mark. 1903 baute man
eine gedeckte Halle auf dem Schützenplatz und einen neuen Schießstand.
Das größte Ansehen
hatte wohl der 1854 gegründete Männerchor – ursprünglich „Cäcilia“ –
genossen, der aber Vorläufer gehabt hatte; Chorsänger wurden schon 1705
genannt. Neben dem eigentlichen Zweck, der Pflege des Liedgutes, standen
Geselligkeit und gegenseitige Hilfe weit im Vordergrund. „Im Jahre 1901
musste der Kirchen-Chor als solcher, seiner Satzungen nach dem Muster
des Diözesan-Cäcilien-Verbandes umändern. Es fand gleichsam eine
Trennung statt zwischen weltlich und kirchlich. Beide Teile behielten
den Namen Cäcilia bei und auch noch dieselben Mitglieder. So hat keine
eigentliche Neugründung stattgefunden.
Pastor Bläser (1826-1852) gründete eine
Bruderschaft vom hl. Herzen Mariä; 1899 gab es bereits daneben einen
Verein der hl. Familie, einen Mütter verein und eine Marianische
Jungfrauen-kongregation. 1902 etablierte sich ein Jünglingsverein. Die
Vereine waren alle irgendwie kirchlich gebunden, wenn sie nicht sogar
direkt von ihr getragen waren. Eine hervorragende Leistung war die
Einrichtung einer Pfarr-Lesebibliothek durch Pfarrer Caspar (1852-1866),
der selber viele Bücher stiftete und aus der der Borromäusverein
Rübenach hervorgegangen ist. Es ist nicht verwunderlich, aber nichts
desto trotz sehr verdienstvoll, dass so früh in Rübenach eine
solchartige Kultureinrichtung geschaffen worden war, denn 1845 hatte der
Koblenzer August Reichensperger in Bonn den Borromäusverein gegründet (=
Verein vom hl. Karl Borromäus zur Verbreitung guter Bücher).
An dieser Stelle
muss noch kurz auf die beiden Volksmissionen von 1899 und 1912 verwiesen
werden.
Nicht abschätzbar
ist der Einfuss, den die Bahnstrecke Koblenz-Mayen, eröffnet 1904, auf
die Entwicklung von Rübenach ausgemacht hat. Damit war das Dorf noch
enger an die Stadt gebunden und es konnte vor allem seine
landwirtschaftlichen Produkte, hier an erster Stelle die Kartoffel auf
die Waggons verladen und schnell und billig überall hin verfrachten –
doch muss in diesem Zusammenhang auch der Personenverkehr berücksichtigt
werden. Das Stationsgebäude war ein gutproportionierter zwei-geschossiger
Bau mit einstöckigem Nebengebäude, einem zierenden Ecktürmchen und einem
großen Waldach. Es war ein hübscher und dabei sehr typischer
Jugendstilbau (heute stark verändert
und seit den 80er Jahren des
letzten Jahrhundert ein Gewerbebetrieb untergebracht ist)
Ein Blick auf die
Bevölkerungsentwicklung weist nicht nur das bloße Steigen der
Einwohnerzahl nach, sondern legt auch das Wachsen um die
Jahrhundertwende (Eröffnung der Bahn, Ansiedlung von außerhalb) klar
dar: |
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1817
1840
1871
1884
1897
1905
1914
1927
1935 |
790 Einwohner
1232
1495
1630
1884
2111
2206
2600 ca.
2707 |
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Die Kriege von 1866
und 1870/71 und der Erste Weltkrieg 1914/18 forderten viele Tote. In den
ersten beiden Kriegen fielen je zwei Rübenacher und im Weltkrieg 51.
Ihnen wurde 1913 ein
Denkmal gesetzt, das 1922 für die Toten des Weltkrieges
vergrößert werden musste. Das Denkmal weist noch starke
Jugendstileinflüsse auf (Inschrift: Gott mit uns – Rübenach seinen
Helden).
Ein einzigartiges
Zeitdokument, das in dieser Vollständigkeit im gesamten Großraum Koblenz
nicht mehr auftritt, ist das Eckhaus „v. Eltz-Straße“ / „Gotenstraße“,
datiert 1903 (Baumeister J. Mohrs). Das Gebäude, das bewusst
Ziegelmauerwerk Putzflächen gegenüberstellt, weist hauptsächlich
Elemente von zwei verschiedenen Stilrichtungen auf: Historizismus und
Jugendstil. Das Haus ist bis in alle Einzelheiten (Verputz, Farbigkeit,
Türen, Gitter, Kacheln, Firmenschild, Stuckdekorationen etc.) noch so,
wie 1903 fertig gestellt worden war.
Ein weiterer
wichtiger Bau im Ortsbild ist die ehemalige Gastwirtschaft Schwamm
(„Aachener Straße“) mit ihrem Saal, wozu auch ehemals eine Kegelbahn
gehörte. Das interessanteste am Bau aus 1906 ist der
Giebel das
Saalbaus mit vorgeblendetem Pseudo-fachwerk in reinstem
Jugendstil (Hier wurde 1948 das erste ständige Kino eingerichtet).
Ein qualitätsvoller
Rübenacher Profanbau ist auch das Wohnhaus „Aachener Straße“ 123. Diese
Jugendstilvilla mit Fachwerkober-geschoss aus rot gestrichenem Holz über
hell geputztem Mauerwerk ist datiert „Haus Hertling erbaut 1911“. Die
Einzigartigkeit dieses Anwesens kommt erst voll nach einer gründlichen
Restaurierung zum Tragen.
Zeichen der damaligen, gut gehenden Konjunktur bilden die zweistöckigen
Backsteinhäuser in der „Kilianstraße“ 36 bis 56. Sie sind nach
einheitlichem Plan gebaut, sind dreiachsig, haben kleine Nebengebäude
und kleine Gärten. Die Häuser wurden um 1905 – 1910 von dem
Bauunternehmer Bretz erbaut und für 300 Mark veräußert. Noch
verschiedene andere Bauten aus der Zeit nach der Jahrhundertwende zeigen
gute Qualität: „Alte Straße“ 3, Wohnhaus aus 1907 mit Jugendstilschmuck
oder „Rosenbornstraße“ 2 und 4, zwei Bauten mit Fachwerkobergeschossen,
ebenfalls aus 1907 |
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