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Die
mittelalterlichen Vorläufer der heutigen Kirche interessieren hier
nicht, da sie bereits an anderer Stelle abgehandelt worden sind. Für die
Baugeschichte der noch stehenden Kirche sind jedoch die Lassaulx´schen
Pläne von größter Bedeutung.
Am 19. Mai 1846
wurde Johann Claudius von Lassaulx beauftragt, einen Plan und
Kostenanschlag zu machen, der 30000 Taler nicht überschreiten sollte.
Auf den Koblenzer war man wahrscheinlich deshalb verfallen, weil man
wenige Jahre vorher beim Bau des Rübenacher Pfarrhauses (1839) gut mit
ihm zurechtgekommen war. Die Pläne wurden angefertigt und unter dem 10.
Dezember 1848 machte v. Lassaulx Witwe, er war am 14. Oktober
verstorben, seine Honoraransprüche geltend, stieß jedoch auf wenig
Entgegenkommen, so dass sogar der Landrat miteinbezogen werden musste.
Die Kirchenbaupläne
gerieten ins Stocken, wurden zwar 1853 wieder aufgefrischt, bekamen aber
erst am 14. August 1856 Gewicht, da unter diesem Datum ein
Geldbeschaffungsplan an den Landrat eingesandt wurde. Bald darauf wird
Bürgermeister Hubaleck mit dem Kölner Architekten Vincenz Statz in
Verbindung getreten sein, denn in einem Brief des Baumeisters vom 27.
November 1856 ist davon die Rede, dass der Plan für die Kirche in Arbeit
sei.
Der Kölner Vincenz
Statz (1819-1898) war aus der Dombauhütte in Köln hervorgegangen, in die
er 1841 eingetreten war und wo er ab 1845 die Stelle eines zweiten
Domwerkmeisters ausübte. 1854 trat er aus der Hütte aus und machte sich
selbstständig. Statz ist wohl der konsequenteste Neugotiker, den die
Rheinlande hervorgebracht haben. Und so nimmt es nicht Wunder, dass
August Reichensperger, einer der brilliantesten Verfechter der (Neu-)
Gotik in Wort und Schrift, mit ihm befreundet war und sich, da er
größten Einfluss ausübte, für Statz einsetzte. Auf diesen Einsatz ist es
wohl auch zurückzuführen, dass Statz bereits 1851 die Restaurierung der
Liebfrauenkirche in Koblenz zugesprochen bekam. Überhaupt hat Statz viel
restauriert und größtes Verständnis für die mittelalterliche Kunst
gezeigt und hat sich, so weit es möglich war, für die Beibehaltung der
alten Bausubstanz bemüht. In Niedermendig ist auf ausdrücklichen Wunsch
Statzens das „alte christliche Baudenkmal“, gemeint ist die romanische
Cypriacuskirche, erhalten worden und parallel zur alten wurde die neue
Kirche gebaut. Das war auch sein Vorhaben in Rübenach gewesen und er
hatte sich, wie bereits gestreift, tatkräftig für den erhalt der
romanischen Mauritiuskirche eingesetzt.
Bevor Statz den
Auftrag für Rübenach bekommen hatte, hatte er sich im Rheinland und
darüber hinaus einen Klangvollen Namen geschaffen, so hatte er u. a.
Arbeiten in Neustadt b. Berlin, Riga, Berlin, Dessau durchgeführt.
Größte Anerkennung hatten dem Rheinländer seine mit dem zweiten Preis
bedachten Entwurf für die Votivkirche in Wien und die Goldene Medaille,
die er seinem Wettbewerbsentwurf für eine Kathedrale in Lille verdankt,
eingebracht. Betrachtet man die (unvollständige) Verbreitungskarte der
Bauten Statzens bei Verbeek, so fällt deutlich auf, dass im Gebiet des
linksrheinischen Teils des Kreises Koblenz-Mayen (und in Koblenz selbst)
eine Häufung von Bauten des Kölners anzutreffen ist, von denen Nickenich
und Niedermendig schon vor dem Bau der Kirche in Rübenach erstellt
waren, so dass die Rübenacher sein Können aus nächster Nähe beurteilen
konnten. Besonders hervorgehoben werden muss die Rheinbrohler Kirche,
deren Pläne 1852 von Statz vorgelegt worden waren. So werden denn
dieselben Gründe, die etwas später den Plaidter Pfarrer bewogen hatten,
sich an Statz zu wenden, da dieser sich „durch die Anfertigung von
Plänen zu neuen Kirchen schon einen berühmten Namen erworben hatte“,
auch in Rübenach den Ausschlag für die Wahl des Kölners gegeben haben.
Das Urteil August
Reichensperger soll dafür stehen, wie die Zeitgenossen Statz gesehen
haben (Das betrifft jedoch nicht die letzten Jahre im Leben Statzens,
der sich selbst, was seine Baukunst anging, überlebt hatte. Er war
„unmodern“ geworden): „Ich brauche nur den Namen eines V. Statz ... zu
nennen, von welchem ... schon mehr als ein halbes Hundert Kirchenbauten
herrühren, alle in gotischem Stil, und zwar nicht in jenem
schwächlichen, maskenhaften, der nur durch gewisse Äußerlichkeiten zu
wirken sucht und – versteht, sondern in der kerngesunden, keimhaft aus
der Tiefe sich entwickelnden und organisch bis in die höchste Spitze
sich entfaltende Art, welche in den Wunderwerken des Mittelalters lebt“.
Zurück zu Rübenach:
Statz hatte für dieses Vorhaben zwei Alternativen entworfen: einmal die
Kirche ohne Turm und einmal mit Turm. Wie aus einem Schreiben des
bischöflichen Generalvikariats hervorgeht (14. August 1857) sind die
Pläne im Juli/August fertig geworden und die bischöfliche Behörde gab
der aufwendigeren Lösung (mit Turm) den Vorzug. Zwei Kostenvoranschläge
vom 20. Oktober und 11. November 1857 beliefen sich auf 34 000 Taler
ohne und auf 45 000 Taler mit Turm. Am 24. November des gleichen Jahres
schon beschließt der Schöffenrat, den Plan mit dem Turm zur Ausführung
kommen zu lassen. Aber noch am 19. Dezember 1857 fehlen die Detailpläne.
Weil die von Statz angegebene Summen zu hoch erschienen, wurde sich in
Kottenheim und Niedermendig, wo Statz ebenfalls Kirchen errichtet hatte,
nach den dort angefallenen Kosten erkundigt. In den Antwortschreiben,
die beide vom 11. Januar 1858 datierten, wurden für Kottenheim eine
Gesamtsumme von nur 14 000 Taler und 150 Taler Architektenhonorar und
für Niedermendig 32 000 Taler für die Baukosten und 360 Taler Honorar
angegeben. Unter dem 2. Februar 1858 wurde Statz sogar vom Landratsamt
aufgefordert, die Rechnungen für die Rheinbrohler Kirche einzusenden (27
000 Taler Gesamtbaukosten, 300 Taler Plan und Kostenanschlag, 500 Taler
Bauaufsicht). Die hohen Kosten, die Statz errechnet hatte, waren vor
allem durch das kostspielige Baumaterial, u. a. Udelfinger Sandstein,
entstanden. Hiergegen wehrte sich vor allem Bürgermeister Hubaleck. In
einem Schreiben vom 14. April 1859 teilte das Landratsamt in dieser
Angelegenheit mit, „dass, in Übereinstimmung mit der Ansicht des
Bürgermeisters der Niedermendiger Stein für das Äußere dem Sandstein
undbedingt vorzuziehen ist, nicht allein der Festigkeit wegen, sondern
auch wegen der Übereinstimmung der Farben mit dem übrigen Mauerwerk“.
Und im Protokoll des Schöffenrates steht unter dem 8. August 1859, dass
die Kosten wegen der Wahl eines anderen Materials auf 33 000 Taler
(statt 45 000 Taler) gesenkt werden können. Man wollte Mendiger,
Riedener und Beller Stein verwenden und ferner sei „der zu hiesigen
Hausbauten gebräuchliche Lavastein vom Karmelenberg (= Schaumlava),
welcher sich zu jeder Formbearbeiten lässt ...“, vorzuziehen.
Da Statz den Bau
nicht selbst beaufsichtigen konnte, musste ein anderer das
bewerkstelligen. Nachdem eine erste Anfrage bei H. Nebel (1857) nicht
zum Tragen gekommen war, wurde J. Cremer befragt, der aber ebenfalls
nicht die Bauaufsicht übernahm (1858).
Kirche vor der Zerstörung 1942
Kirchturm (Detailaufnahme)
Wechsel des Quadratgrundriss
in die achteckige Turmform
Nachdem der
Koblenzer Kreisbaumeister Nell (laut einem Brief vom 29. November 1860)
den Plan und den Kostenvoranschlag überprüft und für stimmig erachtet
hatte, konnte mit dem Bau endlich begonnen werden. Das Datum für das
Abstechen der Baustelle wurde nun endgültig auf den 24. Februar 1862
festgelegt. Am 14. April schließlich wurde noch beschlossen, das
Kirchenschiff um ein Joch zu verlängern, Mehrkosten 2900 Taler.
Ähnliches war auch in Rheinbrohl geschehen, damals hatte die Erweiterung
aber nur 2000 Taler ausgemacht. Auch die Sakristei ist erst nachträglich
projektiert worden. Es wäre möglich, dass Statz von dem Gedanken
ausgegangen war, die alte Kirche als Sakristei zu benutzen und dadurch
noch ein zusätzliches Argument zu deren Beibehaltung zu bekommen.
Die Frage der
Bauaufsicht wurde erst nach einer Eingabe vom 14. März 1862, die der
Landrat befürwortete, geklärt. Nach dieser Eingabe sollte an Stelle des
Maurer- und Zimmermeisters Riemann der Koblenzer Stadtbaumeister Hermann
Nebel, an den man ja schon einmal herangetreten war , den Bau leiten;
Nebel akzeptierte.
Der einzige Plan der
Rübenacher Kirche, der noch überdauert hat, scheint der Arbeitsplan
Nebels gewesen zu sein. Er muss vor dem 14. April 1862 entstanden sein,
denn die Kirche hat noch vier Joche. Ferner fehlte ihr die
Sängertribüne, die später – aber noch während des Baues – angefügt
worden ist (was nicht sonderlich gut geschehen ist). Die Sakristei ist
später in den Plan hinzugezeichnet worden.
Der Plan, den
Vincenz Statz für die Rübenacher Kirche entworfen hatte und der dann
auch wirklich ausgeführt worden ist, wird erst verständlich, wenn man
das Lassaulx´sche Vorhaben aus den Jahre 1846/47 kennt. Zum Glück ist in
einer Flurkarte von Rübenach – es ging hier um die leidige Platzfrage –
der Lassaulx´sche Plan wenigstens in Umrissen angegeben. Da v. Lassaulx
aber einen ganz bestimmten, von ihm schon vorher veröffentlichten Plan,
in Rübenach zu realisieren trachtete, sind wir in der Lage genaue
Angaben über diesen Bau zu machen.
Innenraum um 1920
Altarraum um 1930
V. Lassaulx hatte in
den Jahren 1846/47 die Ramersdorfer Kapelle, ein Bau des frühen 13.
Jahrhunderts, von Ramersdorf (bei Bonn-Beul) nach Bonn auf den dortigen
Friedhof transloziert. Diese Kirche hatte ihn so fasziniert, dass er sie
als Lithographie in Grundriss, Schnitten und Details herausbrachte und
gleichzeitig den Grundriss der Kapelle zu einer Kirche von 12 267
Quadratfuß umwandelte. Den aus dem Achteck konstruierten Chor von
Ramersdorf wandelte Lassaulx in ein Zwölfeck um. Die polygonalen
Seitenschiffsapsiden behielt er bei. Die größte Veränderung bestand in
dem hinzufügen eines sehr schmalen Querhauses und der Vorblendung eines
Westturmpaares. Das Gewölbe der dreischiffigen Hallenkirche sollte durch
nur vier schlanke Säulen getragen werden!
Die Kirchen von
Ernst und Nickenich sind abgewandelte Muster dieses Idealgrundrisses,
eine dritte Kirche nach diesm Plan sollte in Polch verwirklicht werden,
kam aber dort nicht zum Zuge. Schweiger konnte nachweisen, dass v.
Lassaulx 1847 noch an einem weiteren Projekt dieses Grundrisstyps
arbeitete. Das Schweiger noch unbekannte Projekt ist mit dem Rübenacher
Entwurf zu identifizieren.
Lassaulx Plan von
Rübenach konnte leider nie verwirklicht werden. Jedoch Statz muss ihn
noch gekannt haben. Seine Chorlösung, die Anbindung der
Seitenschiffsapsiden an das Chorhaupt sind nur als Wiederaufnahme des
Gedankengutes von v. Lassaulx verständlich. Auch derTyp der Hallenkirche
wird auf die Entwürfe des königlichen Bauinspektors zurückgehen.
Die
Rübenacher Kirche Statzens ist eine dreischiffige Hallenkirche von vier
(später fünf) Jochen und einem aus dem Zwölfeck konstruierten Chor. Die
Seitenschiffe schließen mit drei Seiten eines Sechsecks. In der Achs des
Hauptschiffes steht der mächtige Westturm (Vorbild könnte Grenderich
gewesen sein), der teilweise in die Kirche eingebunden ist.
Grundriss der ursprünglichen Version (4
Joche). Die Apsis - 1942 zerstört - wurde 1952 nicht mehr aufgebaut.
Im Norden und Süden von ihm befinden sich zwei annexartige Anbauten, die
im Äußeren durch ihre quergestellten Satteldächer auffallen und den
Eindruck eines Querschiffes suggerieren. Der Turm öffnet sich in seinem
Untergeschoss noch Osten und eine kleine dreischiffige Halle trägt die
Orgeltribüne. Zwei weitere, zu beiden Seiten des Turmes, teilweise in
seiner Mauerstärke, gestatten den Zugang vom Kircheninnern zu den
Turmobergeschossen. Während der Turmhelm aus Stein ist, überzieht ein
riesiges, geknicktes und geschiefertes Dach das Langhaus. Der Chor wurde
besonders hervorgehoben, indem sich die Dachhaut über dem Chorhaupt
zeltartig anhob und in einem kleinen, achteckigem Dachreiter gipfelte.
Die Chorpartie wurde noch zusätzlich durch die beiden schlanken Helme
der chorflankierenden Treppentürmchen unterstrichen. Die geradezu
delikate Lösung des Chorhauptes kommt besonders im Innern voll zur
Geltung: Acht Ecken des Zwölfecks formen das Chorhaupt und zwei weitere
werden in das Kircheninnere in der Form von freistehenden Säulen hinein
genommen. Die Verbindung zum Chor wird lediglich durch gotische Arkaden
aufrecht gehalten.
Ein einfaches
vierteiliges Kreuzrippengewölbe überspannt, von den nur durchschnittlich
gestalteten Kapitellen ausgehend, das Mittelschiff. Die
Seitenschiffsjoche haben ein ungleich kompliziertes achtteiliges
Gewölbesystem, das durch seine einheftige Mittelrippe reizvolle
Überschneidungen und Perspektiven eröffnet. Die Dienste gehen von einem
durchlaufenden profiliertem Sims an den Seitenwänden aus. Zwei
einbahnige Fenster je Joch ergeben ein helles Licht. Die Außenwände
werden durch alternierend starke und schwache Strebpfeiler, gegliedert,
rufen jedoch eine gewisse Monotonie hervor. Im Vergleich dazu ist der
große Westturm zu „pompös“ ausgefallen; besonders der Übergang vom
quadratischen Unterbau zum achtseitigen Aufsatz befriedigt nicht so
recht.
Das besondere an
diesem Kirchenbau Statzens ist, dass er einen vorgefundenen Grundriss,
der ein völlig anderes Stilempfinden ausdrückt, so umwandelt, dass
daraus eine Eigenschöpfung wurde. Aus der klassizistischen Lösung
Lassaulxs – mit neuromanischen Anklängen – wurde ein echter neugotischer
Bau. Die großartige Chorlösung Lassaulxs beließ er, wandelte sie nur für
seine Ideen um. Statz gelang es, einen Zentralraum mit einem
Longitudinalraum organisch zu verbinden. Beide Raumkom-partimente
behalten aber ihr Eigenleben in gewissem Maße bei. In dieser
Verschmelzung von Chorhaupt und Langhaus liegt die besondere und
kunsthistorisch wichtige Bedeutung der Rübenacher St. Mauritiuskirche.
Rübenach zählt zu
den frühen Werken Statzens, „die ihre Frische und Klarheit wegen
gegenüber den späteren hervorgehoben sind.
Grundstein von 1862
Das Schlimmste was
dieser Kirche nach der Zerstörung des Chores widerfahren konnte, war
nicht die purifizierende Ausmalung des Inneren, wobei alle Reste einer
ehemaligen Ausmahlung und die herrlichen Fresken des Chores vernichtet
bzw. überstrichen worden sind, sondern vielmehr der neue platte
Chorabschluss, der die eigentliche Bauidee des Lassaulx, überliefert
durch Staz, vollkommen vergewaltigte.
1942 - Blick in den zerstörten
Innenraum 1958 renoviert. Der
Chorraum
Altarraum wurde 1966 der Liturgie
entsprechend leicht verändert.
Es erscheint
angebracht, bei der großen bau- und kunstgeschichtlichen Aufmerksamkeit,
die diese Lösung beanspruchen darf, wenigstens die Umrisse des
Chorhauptes außen im Boden zu markieren, um so die alte Bauidee nicht
ganz in Vergessenheit geraten zu lassen.
Siehe auch Artikel
Der Kirchenbau 1862–1866
und seine Vorgeschichte von Hans Gappenach oder
Neubau der Kirche
von Udo Liessem
Fotos von der Kirche
hier |