Sodoma und Gomorrha

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von Hans Gappenach

Prister senzigDechant Senzig war ein guter Prediger; obzwar im prosaischen und pathetischen Stil des vorliegenden Jahrhunderts, rührten seine Worte dennoch ans Herz, ja oft konnten sie erschüttern. Auf der Kanzel hatte er den Menschen viel gegeben; manchmal lief es den Zuhörern eiskalt über den Rücken. In der Kirche  war es so still, dass man hätte einen Floh hüpfen hören. Seine mächtigsten Predigten hielt er um die Fastnachtszeit.
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Regelmäßig wetterte er dann gegen den Vergnügungstaumel und Insonderheit – was er für den Ausgangspunkt hielt – die übertriebenen Tanzlustbarkeiten. Das war in der turbulenten „Goldenen Zwanziger Jahren“ mit ihren zahlreichen neu aufkommenden „Teufelstänzen“ wie Tango, Caka-Walk, Jitterbug, oder Charleston denn auch ein ergiebiges Thema. Und orkanartig endete er einmal (oder auch öfters, – darüber gehen die Meinungen heute auseinander) mit abgrundtiefer Stimme in unvorstellbarer Lautstärke: „Rübenach wird untergehen … wie Sodoma und Gomorrha!“
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Vor dieser Alternative sahen sie die Rübenacher denn doch zum ersten Mal gestellt; das begonnene Murmeln und Kopfschütteln einiger Bedächtiger endigte bald und selbst den Hartgesottenen erstarb das versuchte Lächeln auf den Lippen. Es soll übrigens die gewaltigste Predigt gewesen sein, die jemals durch die hohen Hallen der gotischen Kirche zu Rübenach gebraust ist.
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