Liebe zum Detail: Koblenzer baut größtes Flugzeug der Welt nach

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Wer Michael Speier zu Hause besucht, wird ihn im Hof in seiner Werkstatt finden. Dort ist der Rübenacher fast immer zugange, nachdem er von seiner Arbeit im städtischen Servicebetrieb heimkommen ist.

Von RZ Redakteurin Katrin Steinert

Gerade räumt der kräftig gebaute Mann mit den zupackenden Händen einen Stuhl frei, auf dem der Gast Platz nehmen kann. Überall stehen, liegen und hängen Modellflieger, etliche Styroporstücke, Holz- und Kunststoffplatten warten auf ihre Verarbeitung. Es gibt buntes Schleifpapier, das auf Hölzer gezogen ist, und Konstruktionspläne von Flugzeugen, die an einer Pinnwand hängen. Hier wird gearbeitet. Das sieht man. Und die Arbeit ist erfolgsgekrönt. Das verraten die vielen Pokale und Urkunden. „Größtes mehrmotoriges Modell“, „schönster Schauflug“ und vieles mehr.

Michael Speier liebt es, Originalflugzeuge nachzubauen – natürlich kleiner. Aber alles ist handgemacht. Seit zwei Jahren baut er schon an der 66 Kilo schweren Antonov 225. Foto: Katrin Steinert

Michael Speier hat eine besondere Leidenschaft und gilt bei seinen Freunden als Original. Der 58-Jährige baut richtig schwere und große Modellflugzeuge in liebevoller Kleinstarbeit – Tage, Wochen, Monate, Jahre. Für seine dicken Brummer braucht er sogar einen Pilotenschein, und sie haben dieselbe Zulassung wie Sportflugzeuge, erzählt der Rübenacher. Sein wichtigstes Gerät: Schleifpapier. Damit formt er aus Quadern, die er vorher grob mit einem heißen Draht in Form schneidet, den Rumpf der Maschine – tagelang.

Seit rund zwei Jahren baut Michael Speier nun schon die Antonov 225 nach. Das Original ist das größte Flugzeug der Welt – es gibt nur noch ein einziges davon. Es hat 88 Meter Spannweite, wiegt leer 175 Tonnen, maximal beladen 640 Tonnen. Als Michael Speier dieses Ungetüm live sah, war er so beeindruckt, dass er bei der Erinnerung direkt wieder ins Schwärmen gerät: „Das ist, als ob da ein Fußballplatz angeflogen kommt. Alles andere sieht dagegen echt klein aus.“ Für ihn war klar: Die Antonov muss er nachbauen.

66 Kilo wiegt sein Koloss, wenn er fertig ist. Für ein Modellflugzeug ein Schwergewicht. Speier erzählt: „Ich baue immer, was andere nicht haben.“ Das bedeutet auch: Es gibt keine Fertigteile. So erstellen er und ein guter Freund, ein Flugzeugkonstrukteur, jedes einzelne Bauteil maßstabsgetreu an: vom Rumpf übers Fahrgestell bis hin zu den einzelnen Rotorenblätter der Turbinen und den Scharnieren, womit die Flugzeugschnauze geöffnet werden kann – alles so wie im großen Vorbild. Nur eben 14 Mal kleiner.

Speier ist gerne auf Großflugtagen in Europa unterwegs, sogar in Amerika. Lässt sich inspirieren, zeigt, was er hat. Außerdem spart er dann meist auch die Start- und Landegenehmigung, die die ausrichtenden Vereine für diese Tage organisieren und die Gebühren übernehmen. Michael Speier weiß, dass ein Flugzeug nicht fliegen würde, wenn er es einfach eins zu eins verkleinert. Das ganze Modell, vor allem die Tragflächen, müssen anders geformt werden. „Das können wir berechnen“, erzählt er.

Modelle zu fertigen, damit hat er schon im Kindesalter begonnen. Mit seinem älteren Bruder baute er damals Wurfgleiter – aus hölzernen Apfelsinenkisten, die sie auf Flohmärkten kauften. Im Laufe der letzten 40 Jahre hat der gelernte Fahrzeuglackierer schon Hunderte Modellflugzeuge gebaut. „Damit würde ich eine ganze Turnhalle vollbekommen“, schätzt er. Seinen ersten schweren Brummer, der mehr als 25 Kilo wiegt, baute er vor mehr als zehn Jahren. Der Rübenacher war schon immer von der Fliegerei fasziniert und davon, Dinge bis ins kleinste Detail selbst nachzubauen, dass sie wie ein Original aussehen.

„Man baut sehr sehr lange. Und dann steht das Ding auf dem Platz, vollgetankt“, erzählt Speier von dem Moment der Wahrheit. Dann hebt es ab und landet nach wenigen Minuten wieder heile. Michael Speier spürt dann Adrenalin pur. Bei Flugtagen seien seine Modelle eine Attraktion: „Weil die keiner hat.“

Und wenn die Antonov bei ihrem Jungfernflug abstürzt? „Hier ist noch nichts rausgegangen, was nicht fliegt“, sagt Speier stolz. Aber warum ist er eigentlich nicht richtiger Pilot geworden? „Da gibt es so vieles, worauf ich keinen Bock habe, Pflichtstunden zum Beispiel.“ Speier baut lieber selber und bleibt mit der Fernsteuerung am Boden. „Wenn es kracht, ist nur der Flieger kaputt“, sagt er und lacht. Denn den Flieger, den kann er ja dann wieder reparieren. In liebevoller Handarbeit. Und ein neues Projekt hat er auch schon in Aussicht. Aber erst mal muss die Antonov fertig werden und alle amtlichen Flug- und Belastungstests bestehen, bevor sie zu ihrem Jungfernflug abheben darf.

Rhein Zeitung vom 03.11.2018

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