Der große Brand in Rübenach 1841

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von Hans Gappenach

In jeder Ortschaft gab es in früheren Jahrhunderten verheerende Brände, die Elend und unvorstellbare Not über die betroffene Familien brachten. Blitzeinschläge oder zu leichtfertiger Umgang mit dem Feuer waren häufig die Ursache; strohgedeckte Dächer boten im übrigen den Flammen leichte Nahrung. Ein solches Schrecknis jedoch, wie es im Jahre 1841 über Rübenach kam, verzeichnet im Koblenzer Raum kein anderes Dorf.

In trockenster Jahreszeit wütete die Feuersbrunst; binnen drei Stunden hatte sie ihr grausames Werk vollbracht. Der Aschenregen stieg hoch in die Lüfte und ging bei Herschwiesen und Oppenhausen auf dem Hunsrück nieder. Tagelang glomm und schwelte es in den zusammengestürzten, verkohlten Trümmern.

Dieses furchtbare Ereignis ist noch heute in Erinnerung der Rübenacher lebendig; wenn auch inzwischen viele Dezennien vergangen sind. Kaum eine Familie blieb verschont und von Generation zu Generatin wurden die Geschehnisse weitergegeben. Dennoch schlich sich dabei manches Unrichtige ein. Anderes geriet in Vergessenheit. Anhand noch vorhandener Unterlagen sei darum hier dieses traurige Kapitel Rübenacher Geschichte genauestens rekonstruiert:

So sehr sich später auch die von dem Kgl. Oberprokurator eingesetzte Kommission bemühte, genau ließ sich die eigentliche Brandursache nie klären. Soviel scheint gewiss zu sein: In der Zimmermanns-Werkstätte des Johann Müller (hinter dem heutigen Anwesen Nagel) soll der Brandherd gewesen sein.

Am Samstag, dem 5. Juni, nachmittags um 15:30 Uhr, kündigte die Brandglocke das Unheil an. Nur wenige Menschen weilten im Dorf, fast die gesamte Einwohnerschaft arbeitete auf den Äckern. Der Bürgermeister und der Ortsschöffe waren um 3 Uhr in Richtung „Wäschebuur“ gegangen, um eine neue Wegeanlage zu revidieren. Sie sahen das Feuer sofort und standen wenige Minuten nach dem Ausbruch mit den ersten an der Brandstelle. Umgehend wurde ein Expressbote nach Koblenz gesandt, der Bereits um 4 Uhr auf der Hauptwache einlief.

Die Flammen griffen mit rasender Geschwindigkeit um sich. Bald war die Rübenacher Feuerwehr zur Stelle; sie machte den Versuch, auf der oberen Seite des Dorfes nach der alten Schule zu dem Feuer Einhalt zu gebieten. Auf der anderen Seite des Ortes, in Richtung Koblenz, schien das aussichtslos.

Die Einwohner des Dorfes, die inzwischen von den Feldern gekommen waren, versuchten zu retten, was zu retten war, aber ein nachhaltiger Wiederstand gegen die Flammen wurde erst möglich, als die Wehren von Mülheim, Kärlich und Kettig angekommen waren. Die Hilfsmannschaften und Spritzen gerade des letzten Ortes haben zur Erhaltung der alten „Hundsgasse“ (von-Eltz-Straße) wesentlich beigetragen; dass manch schöner Fachwerkbau dort heute noch steht, kommt auf ihr Konto.

Nach und nach trafen dann die Hilfen aus anderen Orten ein. Genau siebzehn Feuerspritzen mit entsprechenden Hilfsmannschaften waren schließlich anwesend: Kärlich, Mülheim, Kettig, Bassenheim, Dieblich, Güls, Kobern, Winnigen, Koblenz, Neuwied Kesselheim, Metternich, St. Sebastian, Vallendar, Bendorf und Urmitz. Ihre Aufgabe konnte es jedoch nur sein, dafür Sorge zu tragen, dass nicht buchstäblich der ganze Ort abbrannte. Dieses Ziel wurde erreicht; nach drei Stunden hatte man das Feuer auf die betroffene Ortskomplexe eingedämmt und auch einige übergesprungene kleinere Nebenbrände gelöscht.

Am gleichen Tag noch eilte der Kgl. Regierungspräsident Freiherr von Schleinitz nach Rübenach, um sich persönlich von der Verheerung ein Bild zu machen und höheren Orts darüber zu berichten. Details ließen sich bei der herrschenden Verwirrung noch nicht erkennen, doch die ersten Ermittlungen ergaben, dass die Flammen 101 Häuser und 350 Nebengebäude vernichtet hatten.

Rübenach zählte zu dieser Zeit 207 Feuerstellen. Mithin war das halbe Dorf – und zwar der ältere, wohlhabendere Teil – dem Brandunglück zum Opfer gefallen. Zwei Menschenleben wurden beklagt; ein Greis, der halb gelähmt im Lehnstuhl saß, konnte sich nicht mehr retten und die verstümmelten Gebeine einer Frau fand man erst bei Aufräumungsarbeiten in den späteren Tagen (Nikolaus Alsbach, 81 Jahre; Gertrud Löf, 42 Jahre, Mutter zweier Kinder). Eine Gebärende konnte im letzten Augenblick noch ins Freie getragen werden; sie litt monatelang an einem Nervenschock. Fünf Menschen waren durch Brandwunden schwer verletzt; zwei von ihnen starben an den Folgen (Jakob Mohrs, 44 Jahre; Johann Mohrs, 56 Jahre, Vater von drei halbwüchsigen Kinder); um das Leben von drei weiteren Personen wurde monatelang gerungen, vier Menschen tragen geringere Verletzungen davon.

Unübersehbar war der Schaden im einzelnen: 99 Familien hatten ihre gesamte Habe verloren; Mobiliar, Lebensmittel, Kleidungsstücke, Getreide und Brotfrucht, neben dem Ackergerät auch zahlreiche Pferde, 38 Stück Weidevieh, über 100 Schweine und zahlreiche Kleintiere. 640 Menschen standen buchstäblich vor dem Nichts; nur das war gerettet, was sie auf die Äcker mitgenommen hatten.

Unvorstellbare Not war zu lindern; zuerst galt es, die Obdachlosen unterzubringen. Dazu standen nur die erhalten gebliebenen, allesamt kleinen Häuser in der Hundsgasse und der Bubenheimer Straße zur Verfügung. „Das Pfarrhaus quoll über vor Menschen“, wird eigens im Protokoll vermerkt; 24 Personen lebten in einem anderen Fall in winzigen Häuschen in der Kirchstraße; teilweise mussten die Betroffenen auch zu Verwandten nach Metternich, Mülheim oder Bubenheim. Die Versorgung mit Brot war die nächste ortsbehördliche Leistung. Eine eigene Kommission hatte die tägliche Abgabe von Broten je nach Zahl der Familienangehörigen zu tätigen. Die Liste der über lange Monate währende Brotverteilung sind erhalten und können Hinweise auf die Opfer des Unglücks geben. Im Wald wurden Distrikte zum Einschlag freigegeben, damit die Familien ihre Notquartiere heizen konnten.

So unbeschreiblich das Elend auch war, von allen Seiten verspürten die Rübenacher Hilfe. Selbst kleinere Gemeinden zeigten Rührung und Mitgefühl. Alle Wohltäter aufzuzählen, ist unmöglich; es würde kein Ort der näheren und weiteren Umgebung in dieser mehrere Seiten füllenden Tabelle fehlen; auch zahlreiche bessergestellte Familien und die umliegenden Adelsfamilien wären zu nennen. Die noch vorhandenen Aufstellungen ergeben ein deutliches Bild von der überaus großen Spendenfreudigkeit. Vom „warmen Bett“ bis zum „wüllen Kinderunterhösgen“ wurde alles mit preußischer Genauigkeit vermerkt und zur Verteilung an die eigens gebildete Unterstützungskommission,  bestehend aus Pfarrer Blaeser, Gutsbesitzer Dominikus Conrad, Ortsschöffe Kray und dem Ackersmann Peter Heimes weitergeleitet.

Die Regierung hatte zu Sammelaktionen und Hauskollekten aufgerufen. An Spenden liefen u. a. ein: aus den Regierungsbezirken Düsseldorf 870 Taler, Aachen 226 Taler, Koblenz 2246 Taler, Stadt Koblenz 1238 Taler. Die Stadt Mayen veranstaltete Instrumentalkonzerte zugunsten der Rübenacher Brandverunglückten und stellte den Erlös für die Beschaffung von Handwerksgerät zur Verfügung.

Die gerechte Verteilung der Spenden und Unterstützungsgelder war nicht leicht. Es musste zuvor unter Zeugen die Größe der Verluste registriert werden, um gezielt und individuell helfen zu können. Man kam, je nach Vermögen und Verlust, zu einer Einteilung in drei Klassen; 13 Familien wurden als „wohlhabend“ eingestuft, 22 als mittelmäßig begütert, 64 zur ärmeren Klasse gehörig, als sehr unterstützungsbedürftig bezeichnet. Besonders schlächt standen die Pächter da, die auch für manches fremde Gut aufzukommen hatten. Von ihnen wanderten einige Familien nach Amerika aus.

Die Schätzungen des Gesamtschadens beliefen sich auf 100000 Taler; 36000 Taler konnte man aus Versicherungsgeldern erwarten; lediglich ein Teil der Häuser war nämlich überhaupt, vieles unter Wert versichert.

Doch der Schrecken und die Not können die Rübenacher nur wenige Tage gelähmt haben, bald schon machten sie sich an die Arbeit. Man gedachte noch vor dem Winter einen Teil der Häuser wieder errichten zu können, ein Plan, der sich nicht verwirklichen ließ. Als erstes galt es, die Brandstellen aufzuräumen, den Schutt abzufahren und das Gelände zu planieren. Militär aus Koblenz wurde abgeordert. Mit Gespannen und Aufräumungstrupps halfen vor allem die Orte Winnigen und St. Sebastian. Aber auch alte Dorfrivalitäten kamen zum Vorschein, wenn es im Protokoll heißt, die Kärlicher und Kettiger Bürgermeister hätten sich geweigert, Gespanne für die Schuttbeförderung zu stellen, da ihnen vor Jahren (1827 und 1838) auch niemand geholfen habe.

Der rasche Aufbau verzögerte sich jedoch hauptssächlich aus einem anderen Grunde. Im Gemeinderat war die Idee aufgekommen,  der Koblenz – Mayener Straße nicht mehr die krumme und verwinkelte Form zu geben, die sie bis dahin hatte. Es bestand die Möglichkeit, sie  breit und kerzengerade durch den Ort zu führe. Das bedurfte langwieriger Verhandlungen sowohl mit den Behörden wie auch mit den Eigentümern, die ihre angestammten Wohnplätze verloren. Dennoch gelang es schließlich trotz aller Einsprüche. Die ehemalige Hauptstraße blieb unter dem Namen „Alte Straße“ erhalten. Auf der nachfolgenden katasteramtlichen Karte aus dem Jahre 1809 findet sich noch der frühere Straßenverlauf.

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Katasteramtlicher Plan des Ortes aus dem Jahre 1809

So idyllisch auch ehedem der Ortskern mit dem wichtigsten Platz „am Buur“, wo die Postkutsche hielt, gewesen sein mag, es zeugte doch für die Weitsicht der damaligen Verantwortlichen, dass sie ihren Plan durchsetzen konnten und so dem Dorf die eigentlich schöne Hauptstraße gaben, die auch dem heutigen Verkehr noch gewachsen ist. (Stand 1975!)

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